Gedankensplitter

Wolfgang Kohl

Begrüßung

Erich Lantin, Schatzmeister, Forum für Kunst und Kultur

Einführung

Stefanie Isabell Wagner, M.A. Kunsthistorikerin Aachen

Veranstaltungsdauer

24. April bis

22. May 2022

Zu den neueren Skulpturen von Wolfgang Kohl von Dr. Dirk Tölke Wolfgang Kohl hat lehrend seinen Bezug zu Menschen, Material und Praxis fortwährend weiterentwickelt und seit 2015 wieder intensiv an die Arbeit mit Holzskulpturen angeknüpft. Seine Arbeiten sind figürlich und gegenständlich, wobei er sich schon früh aufgrund seines Interesses am Thema Mensch für einen Realismus entschieden hatte, der nicht im zeitgenössischen Fokus stand und sich erst gegen die Abstraktion wieder durchsetzen musste. So war ein gewisser hartnäckiger Widerstand und persönliche Überzeugung für diese Stillage nötig, wie seinerzeit ebenfalls bei Vertretern der Malerei, die auch immer mal wieder von Leitmedien und Kunstkritik totgesagt wird. “Gedankensplitter“ Wolfgang Kohl Skulpturen 24.04. – 22. 05. 2022 Einerseits ist verständlicherweise die Abstraktion nach der Erfahrung zweier diktatorischer Systeme eine Bildsprache, die international und selten propagandistisch nutzbar ist, während der Realismus mit mit Pathosformeln diesbezüglich missbraucht wurde. Andererseits werden dadurch Ausdrucksmöglichkeiten eingeengt, die sich mit dem bedrängten einzelnen Menschen und seiner gesellschaftlichen Situation nachempfindbar auseinandersetzen. Für den Betrachter bietet die realistische Bildsprache einen direkten, unmittelbaren Zugang ohne den interpretatorischen Spielraum einzuengen. Das tut auch Wolfgang Kohl in seinem Medium Holz durch eine gezielte mitunter auch zeichenhaft rohe Gestaltung, die nicht auf Hochglanz und Illusionismus aus ist, sondern dem Material eine atmosphärische, eindringliche Nähe und zugleich distanzierte Nüchternheit abgewinnt. So sieht man sich als Betrachter nie konkret mit einem spezifischen Vorfall oder mit einer auf ein konkretes Individuum Bezug nehmende Thematik konfrontiert, was die Intensität und Tiefe der Auseinandersetzung erhöht. Die Formwelt betont den allgemeinen Charakter und bildet die Analyse in der bildhauerischen Umsetzung sinnlich ab. So nimmt z.B. das einbaumartige Boot mit seinen Insassen aktuell Bezug auf die Flüchtlingssituation im im Mittelmeer, betrifft aber grundsätzlich ähnliche Vorgänge mindestens seit den Boatpeople in Vietnam. Scheinbar sitzen wir alle in einem Boot lautet der allgemeinmenschliche Anwurf des Werkes, der durch eine Fehlstelle in der Reihe der Insassen möchte, dass wir uns in die Situation der Flüchtenden hineinversetzen. Diese sind in verschiedenen Grundformen ohne Merkmale von Geschlecht oder Herkunft schematisiert. In Holzsträngen gesägt, in Scheiben geschnitten, bilden die in das Einbaumgebilde gesetzten Körper mit ihren gestreckten Armen betonte Gesten, die mit erhobenen Händen nicht eindeutig Entsetzen oder Freude über eine mögliche Rettung aus einer bedrohlichen Situation bedeuten. Die Entscheidung überlässt der Künstler dem Betrachter. Das Boot hat auch noch etwas von einer Galeere, weil seitlich ruderhaft Reihen von Stangen auskragen mit denen man aber vermutlich kaum voran kommt, was die Ungewissheit der Lage verdeutlicht. Es erhebt sich manche Frage: Will man die Menschen ertrinken lassen oder retten oder überhaupt ihre Fluchtbemühung wahrnehmen, in der sich Verzweiflung aber auch Mut und eine unbändige Lebensenergie ausdrücken, die nach individueller Freiheit strebt. Die Frage: wie fühlt man sich als jemand, der keinen anderen Ausweg sieht, als seine Heimat zu verlassen, lässt die Lücke im Boot offen. Anonymisiert sind die Bootsinsassen weniger noch als Nummern. Aus dem Blickwinkel der Schleuser und der Verwaltungsbürokratie, für die Einen schnelles Geld für die Anderen lästiger zusätzlicher Arbeitsaufwand und Kostenträger.

© Hardy Kleidt