Fritz G. Rohde
In den kleinen und jüngsten Arbeiten von Fritz Rohde sind die Linien bestimmt gesetzt. Da gibt es die auf breitstreifige Untergrundflächen hinzugefügten verkippt winkligen Gefachestrukturen oder stelenartige Hiebe. Es finden sich kalligraphisch flüssige Verlaufsschlenker in Blau, denen anderswo gekrümmte Pinselbahnen in lockerem Verbund korrespondieren. Gedeckte und heitere Farbflächen bilden Ländereien in kontinenthaften Bildfeldern und sind durchzogen von freien Lineaturen und Setzungen, die wie Luftbildgrundrisse wirken. Die Vielfalt der lavierten, schraffierten, verschlungenen und ausgefüllten Kürzel verweist auf nichts, als auf ihr Verhältnis zueinander, das eine Neigung zur Zentrierung des Blattes aufweist. Ein Raumempfinden stellt sich mangels starker Kontraste auch farblich kaum ein. Weder Gegenstand, noch Zeichen, noch Schrift, noch Natureindrücke deuten sich an. Allenfalls etwas Körperhaftes durchdringt die belebten Strukturen. Es bleiben Farbe und Formwelt in latenter Stabilität des Gefüges. Es sind auf den größeren Leinwänden bisweilen düster unirdisch wirkende Farbsetzungen und rohe, bodenständige Gefüge. Glimmend, lichtdurchgeistert werden ortlose Bilder von numinosen Wirkungen durchdrungen. Neugier und Rätselhaftigkeit sollen erhalten bleiben, Assoziationen stiften, Zusammenhänge offen-baren, nicht vordergründig inhaltliche, sondern ästhetische: Form, Format, Farbe, Oberflächenstruktur, Proportion, Richtung, Lichtwirkung, Räumlichkeit. Fritz Rohde ködert das Numinose mit aus der Welt der Präzision entlehnten geometrischen Formen, mit Gittermustern, Tunneleffekten, Fenstern, die in seinen Gemälden zusehends von farbigen Schleiern und Nebeln verunklart werden zu verwaschenen, fleckigen, verblichenen Oberflächengefügen von brockenhafter Struktur, denn es geht ja um die Darstellung eines Modellhaften, nicht eines Konkreten. In seinen teils farbfreudigen Aquarellen erscheinen die Setzungen agglutiniert, vereinzelter, mehr auf Lücke gesetzt. In den jüngsten Arbeiten weicht er stärker von Geometriebezügen ab, wird leichter, impulsiver, flüssiger, verwebt Flächen und Schraffurzonen mit linearen Konturen und Schlenkern ohne nur zu schlichten Ausfachungen zu kommen. Noch stärker von der Massivität des Körperhaften entfernt, lösen sich in den letzten Arbeiten die Gefügestrukturen mit leicht schalkhafter Leichtigkeit aus formalen Bindungen. Gelegentlich erzielen die Bleistiftskizzen eine geräthafte Anmutung. Es bleibt der Eindruck eines freien Spiels der Kräfte von Linie und Fläche, das in schwebender Stabilität situativ ausgeglichen erscheint, aber nicht erstarrt.Fritz Rohde begann in den späten 90iger Jahren künstlerisch von Neuem, aber nicht von vorn. Er knüpfte an seine malerisch-bildhauerische Ausbildung an der Werkkunstschule Braunschweig an. Die Erfahrungen eines Architektur- und Bauingenieurstudiums, die Tätigkeit in der Wasserenergiewirtschaft und der Umgang mit Modellen, Simulationen, Algorithmen, Operation Research und Chaostheorie kamen hinzu. In Rückbesinnung auf unerledigte Auseinander-setzungen und in Auseinandersetzungen mit aktuellen Fragestellungen entstand eine eigene Bildwelt. Bestimmend ist für ihn ein plastisches, bildhauerisches Denken in Raumgefügen, die ausgreifen, Durchbrechungen zeigen und minimale Raumgrenzen setzen. Neben materialbetonte Ausdrucksformen und skulpturale Quader treten aber auch farbintensive und flächengrafische Arbeiten, die mit einem Computerprogramm erstellt wurden. In diesem, in anderer Form Anschaulichkeit erzeugenden Modell, wird eine Struktur, ein Programm ausgewählt, dass die vom Zufallsgenerator geschaffene Wechselfälle und vom Nutzer individuell beigesteuerte Ausgangskriterien wie Farben und Anzahl von Elementen zu Strukturen umsetzt und auf einem Drucker ausgibt. Innerhalb abstrakter Grundmuster erzeugt sich eine erstaunliche Fülle von Variationen, die der Auswahl aus dem seriellen Reservoir harren. Denn nun liegt das Ästhetische wie beim Fotografieren in der Auswahl der als ausdrucksstark und gelungen angesehenen Entwicklungsstadien. Fritz Rohde hat sich ein Werkzeug geschaffen, von dem er sich wieder löst und der Handbewegung und dem künstlerischen Prozess erneut folgt. Fritz Rohde bleibt auf der Suche, das ist der Kern seiner, wie aller künstlerischer Produktivität. Seine Arbeiten schaffen Assoziationen und Resonanzeffekte, die dem Logischen und Prinzipiellen das Analogische und Empfindsame hinzugesellen. Ihr gemeinsames Thema bei Fritz Rohde ist Reduzierung, bzw. Verdichtung einer aufrechterhaltenen Komplexität auf einen modellhaften Kern, auf anschauliche Offenheit. Clemens Weiss
Der New Yorker Künstler Clemens Weiss hat seit Anfang 2020 auch ein neues Atelier in Hagen bezogen, in dem viele der jetzt erstmals in Herzogenrath gezeigten Skulpturen und Objekte entstanden sind. Das Material dieser Skulpturen besteht oftmals aus recyceltem Glas, vielfach sogar aus unregel-mäßigen Rest- und Bruchstücken, die entweder bei anderen Arbeiten angefallen sind, oder sogar aus Bruchglas, das aus vielfältigen Quellen stammen kann. So war bei einem der Ausstellungsstücke, dem Tank Monument, der Ausgangspunkt für die Konstruk-tion der abgesprengte Glasring eines Einmachglases. Das entspricht der generellen Arbeitsweise des Künstlers, auch anscheinend eigentlich nicht mehr zu gebrauchende Materialien, in diesem Fall Glasabfälle, noch in einen skulpturalen Zusammenhang zu bringen und zu gestalten.Mit dieser Arbeitsweise sind in dieser Ausstellung viele Skulpturen technischer Art entstanden: ein Panzer, ein Ozeanliner, Raumschiffe, ein Zeppelin, ein Düsenjäger oder eine Raketenabschussbasis. All diese eigentlich hochkomplexen und exakt konstruierten Maschinen sind aus kruden Glasstücken und Glasresten konstruiert worden, also dem Gegenteil von einer genauen Konstruktion, sondern gleich als ein Wrack.Das berührt in diesen Arbeiten den Aspekt und Aura von Vergänglich-keit, aber verleiht diesen Skulpturen durch ihre Transparenz und Transluzenz auch etwas Poetisches. In diesen kompakt konstruierten Objekten sind auch etliche kleinere Objekte und Fundstücke einge-arbeitet, die aber teilweise nur erahnbar sind durch ihre tiefe Einbettung in diese Skulpturen. Erkennbar sind beispielsweise einige Diapositive von früheren Werken von Clemens Weiss in dem großen Ozeanliner. Einige dieser Skulpturen sind als Bodenarbeiten konzipiert, andere etwas erhöht auf Podesten, und wieder andere auf den bekannten Glasstelen im Werk von Clemens Weiss. Neben diesen neueren Arbeiten zeigt diese Ausstellung aber auch einige ältere Werke von Clemens Weiss. Besonders hervorzuheben ist dabei ein Exemplar mit 11 Texten, die im Zusammenhang mit der Skulptur: „Regarding Non-proliferation of Nuclear Weapon“ entstanden ist.Diese Skulptur, 1996 ein offizielles Geschenk der Bundesrepublik Deutschland an die Vereinten Nation in Genf aus Anlass der Beendigung der Verhandlungen eines weltweiten Verbotes aller Nuklearen Tests. Diese Skulptur im Palast der Nationen in Genf umfasst insgesamt 42 der wichtigsten handschriftlichen Texte des Nuklearzeitalters, darunter alle bisherigen Internationalen Verträge und Studien zur Nuklearen Problematik. Insgesamt 11 dieser Texte sind daraus in dieser Ausstellung im Kunstverein Herzogenrath in Form eines Glasschubers zu sehen, darunter der Original-Bericht an den Amerikanischen Präsidenten zum Abwurf der ersten Atombombe auf Hiroshima.Daneben gibt es auch einen weiteren Glasschuber mit den kompletten Texten aus der Skulptur in dieser Ausstellung. Diese frühe Arbeit stellt auch gewissermaßen einen weiteren Zusammenhang mit diese neueren Skulpturen her, ohne dass sie zu offensichtlich Bezug nehmen auf die zur Zeit wieder bedrohlicher erscheinende Weltlage.