Vita + Ausstellungstätigkeit
Thomas Wunsch begann im Alter von 17 Jahren zu fotografieren, als er in die USA zog und Mitglied der Kodak Young Photographers League wurde. Als er in Hamburg ein Fotostudio eröffnete, widmete er sich der Mode-, Stillleben- und Porträtfotografie. Außerdem hatte er seine ersten beiden Einzelausstellungen in Hamburg in der Galerie Palme. Nach seinem erneuten Umzug in die USA arbeitete Thomas Wunsch viele Jahre als Standfotograf bei einer Filmproduktionsfirma.
Thomas Wunsch begann im Jahr 2000 abstrakt zu fotografieren. Diese Fotografien wurden im Huantie Times Art Museum in Peking, im Museum of Contemporary Art in Seoul, im Overbeck Museum in Bremen, im Städtischen Museum Schloss Bruchsal, im Okgwa Museum in Gokseong, im Huaxia Art Museum in Zhengzhou, im Museum im Wehener Schloss, im Museum Haus der Fotografie Burghausen, im Museum Boppard, im Museum Villa Irmgard, im Haus der Kunst in München, im Goethe-Institut in Frankfurt, im Goethe-Institut in Freiburg, im Goethe-Institut in Phnom Penh und zahlreichen Galerien weltweit gezeigt.
Thomas Wunsch nahm an Gruppenausstellungen teil, die auch Werke von Ai Weiwei, Robert Indiana, Thomas Ruff, Walker Evans, Nan Hoover, A.R. Penck, Stephen Shore, Sherrie Levine und Nam June Paik zeigten.
Seine Fotografien werden seit 22 Jahren auch von der renommierten deutschen Plattenfirma ECM als LP- und CD-Cover veröffentlicht. Thomas Wunsch kuratiert Fotoausstellungen in Deutschland und lehrt „Kreative Fotografie“ an der Anglo-American University in Prag. Außerdem hielt er Vorträge über Fotografie in Deutschland, den USA, China, Kambodscha und Südkorea und er ist Jurymitglied bei den „Moscow International Photo Awards“ und der „London International Creative Competition“. Mehr als 40 Bücher mit seinen Fotografien wurden veröffentlicht, darunter „Enemies of Reason“, „The Impertinence of Beauty“ und „Wages of Sin“.
Thomas Wunsch ist Mitglied des Museum of Modern Art (MoMA), New York, Gründungsmitglied von 360 Minutes of Art, Mitglied von Fine Art America, Mitglied der World Photography Organisation, Mitglied der American Photography Association, Mitglied der Aperture Foundation, Mitglied der Martin Parr Foundation und Mitglied des International Center of Photography, New York.
Thomas Wunsch wird von der Waterfall Mansion Gallery (New York) und Saatchi Art (Los Angeles) vertreten.
Die Bedeutsamkeit des Formlosen
von Susanne Kiessling
Zu Beginn der 1950er Jahre widmeten sich zahlreiche Maler der abstrakt-expressionistischen Kunst, einer ungegenständlichen Bilddarstellung, die nicht mehr oder noch nicht Form war. Die Werke von Thomas Wunsch beziehen sich auf dieses Thema, bleiben ihm aber nicht starr verhaftet, sondern entwickeln eine ganz eigene Bildsprache.
Im Bereich der Fotografie ist eine abstrakt-expressionistische Bildgebung außergewöhnlich und auch artfremd. So ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass sich die Mehrzahl der Fotografen einer Bilderzeugung zuwenden, die Gegenständliches zum Thema hat. Es geht ihnen darum, den Zustand von Objekten zu einem bestimmten Zeitpunkt zu dokumentieren und so ihre Bildaussage zu formulieren. Wenn dort also der Bezug auf den konkreten Gegenstand für die Fotografie weitgehend bestimmend ist und das narrative Element einen hohen Stellenwert hat, so ist die künstlerische Position von Thomas Wunsch eher singulär. Seine Fotos, die abstrakt-expressionistische Strukturen zeigen, sind ein Vorstoß in das Reich der Gestik, das zuvor dem Medium der Malerei vorbehalten war. Sie sind ein Geflecht aus Farbflüssen, Passagen, Übergängen und Verzahnungen wider den klassischen fotografischen Themenkanon und formulieren eine Neudefinition des Mediums der Fotografie. Ebenso tragen sie zur Diskussion darüber bei, was Fotografie darf und soll.
Zugleich kommen die Fotoarbeiten von Thomas Wunsch so leichthändig und hingehaucht daher, dass sie den Eindruck erwecken können, sie seien wie nebenbei entstanden. Bei ihnen finden wir Strukturen, die viel Interpretationsspielraum lassen und eine eigene Welt formen. Lässt man sich auf diese Bilder ein, gelangt man in einen Bereich des Vagen, alles verschwimmt und verliert seine Identität, ein Ort nahe dem Nichts, des Unbestimmbaren und des Dunklen. Das liegt zum einen an ihrer formalen Strenge, zum anderen aber auch an den Schatten, Brüchen und Verwischungen, die diesen Werken innewohnen. Wir erkennen in diesen Fotografien vielleicht Aspekte von eigenen Beobachtungen oder Traumfragmenten. Durch die verschwimmen-den Konturen, den fehlenden Bezugsrahmen und durch das Schattenspiel der Lichteffekte wird der Betrachter in einen Bereich hineingezogen, den er nicht mehr fassen und definieren kann. Wie bei Traumsequenzen bilden sich Silhouetten am gedachten Horizont, watteweiche Tiefen lassen den Betrachter versinken, und zwar im Bild, aber auch in seinen eigenen Gedanken, Wünschen und Hoffnungen.
So sind diese Fotografien wie ein Kurztraum am Tage, somnambule Motive, die nur noch durch transzendie-rendes Denken erfassbar sind und dabei von reinen Abbildungen zu Zeichen werden, die Tiefes und Übersinnliches indizieren.Thomas Wunsch beweist, dass Transparenz, Raum, Inspiration und Ausdehnung ihren Niederschlag nicht zwangsläufig in gegenständlichen Fotografien finden müssen.
Der Künstler bezieht sich in seinem Werk auf das Mystische, das in den Dingen steckt, und das er erst herausarbeitet, damit es dann vom Betrachter herausgelesen werden kann. Es kommt also bei seinen Arbeiten ein Aspekt zum Tragen, den man bei gegenständlichen Bildern nicht sieht, nicht sehen kann. Deshalb lohnt es, sich lange in die Werke zu vertiefen.
Unabhängig von vorgefundenen oder inszenierten Realsituationen steht in diesen Arbeiten der individuelle, abstrahierende Blick des Künstlers im Vordergrund. Wenn für Thomas Wunsch vor allen Dingen das Angehen gegen eine motivisch gebundene Bildwelt wichtig ist und Hand in Hand mit dem Verzicht auf dokumentarische Abbildhaftigkeit geht, so ist das nichts anderes als seine Suche nach einer anderen Wahrheit. Hinter den Werken des Künstlers steckt der Drang nach dem Erkunden eines neuen Wirklichkeitsbegriffs, der sich einer Gefälligkeit verströmenden Kunst entgegenstellt, in dem er die Verlagerung des Interesses von einer statisch-bildnerischen Darstellung zu einer energetisch-dynamischen Bildwelt befördert.
Für Thomas Wunsch sind abstrakt-expressionistische Kunstwerke eine Radikalisierung, geknüpft an Findungen, die zugleich Seismograph subjektiver Innerlichkeit und Modellfall flukturierender Strukturen sein können. Der Bildträger wird in seinen Fotografien zur Arena eines Ausdrucksgeschehens, das nicht mehr illustrierend darstellt, sondern als Ablauf und Energie wahrgenommen wird. Diese Herangehensweise gründet weder auf traditionellen Kompositionsschemata noch auf einer zuvor erarbeiteten Konzeption des Bildnerischen. Statt-dessen zieht sie sich neben der Form als Hauptwert auch Subjektivität, Aktualität, Spontaneität und Zufall als gleichrangige Gestaltungspartner heran. Mit dem radikalen Zweifel an jegliche Verlässlichkeit wird die Erfahrung des Bruchhaften reflektiert und die Brüchigkeit von Wirklichkeit und Welt thematisiert. Geknüpft an individuelle Freiheit und verstanden als Suche nach dem Inneren der eigenen und der fremden Natur, zeigen diese Fotografien, dass die Ästhetik des Atmosphärischen mit visuellen Metaphern denk- und machbar ist, aber nie ohne die Sehnsucht nach dem Wesentlichen.