Forum für Kunst und Kultur
Herzogenrath e.V.

Nicht für jeden was dabei

Roland Mertens

08. October 2023 bis

12. November 2023

Leben und Werk

Roland Mertens bewarb sich noch als Schüler an der Werkkunstschule Dortmund um ein Praktikum mit dem Schwerpunkt druckgrafischer Techniken, das er 1968 als 16-Jähriger begann. Im darauf folgenden Jahr begann er sein Studium an der Kunstakademie Düsseldorf bei Joseph Beuys. Bereits als siebzehnjähriger begeisterte er sich für klassische Zeichnungen und Techniken der Renaissance und Barockzeit und beherrschte Federzeichnung, Radierung und Hell-Dunkel-Malerei den Skizzenbüchern zur Folge meisterlich, illustrierte Schelmenromane und behielt diese schalkhafte Orientierung an alten Bildformeln für aktuelle (allzumenschliche) Gegebenheiten bei. Sein Humor dreht aufklärerisch die Bilderwartung um, entthront Wichtigtuerisches und Autoritäten, fordert den zweiten Blick und eine Auseinandersetzung mit dem Gesehenen.

Schon während seiner Studienzeit reiste Mertens 1972 nach Ostanatolien, um dort im Rahmen eines Forschungsprojektes von Armen Hakhnazarian gemeinsam mit dem Architekturfotografen Gundolf Bruchhaus Aufmaße und Pläne von armenischen Klöstern und Kirchen zu zeichnen. Ab 1972 fertigte er Zeichnungen und Radierungen in der Art des Giovanni Domenico Tiepolo und Pietro Longhi an, sowie Illustrationen zu spanischen Schelmenromanen aus der Mitte des 17. Jahrhunderts. Sein künstlerisches Handwerk lernte er nicht nur an der Kunstakademie, sondern ab 1976 gezielt bei dem Restaurator Herbert Szusisch in Innsbruck/Österreich. Im Jahr 1980 zog Mertens für sechs Monate nach Griechenland, um im Auftrag des Erzbischofs von Mytilini auf Lesbos im Kloster Agios Limonos byzantinische Fresken freizulegen und zu restaurieren. Für das Kasteel Aldenghoor bei Roermond entwarf und realisierte Mertens 1982 ein Jagdzimmer mit Wandgemälden zum Artemis Zyklus. Mit Beginn der 1980er Jahre wurde er von Sammlern und Galeristen mit wissenschaftlichen Expertisen und Wertermittlungen von Altmeistergemälden beauftragt. In den Jahren 1986 bis 1993 entwarf er vier Serien von klassischen Stillleben, die von der Pharmavertriebsgesellschaft Alliance Healthcare Deutschland aufwendig reproduziert und als Jahreskalender in großen Auflagen gedruckt wurden. Zugleich fertigte er 1992 anlässlich der Aufnahme von Arrigo Castellani in die Accademia della Crusca in Florenz eine allegorische Bemalung auf einer 300 Jahre alten Getreideschaufel nach einem Zitat von Francesco Petrarca an. Ein Jahr später erstellte er den Werkzyklus Prinzessinnen, mehrere allegorische Frauenportraits mit rätselhaften Attributen. Ab 2000 entstanden zahlreiche Geschichten mit erzählenden Objekt-Arrangements sowie eine große Anzahl von bemalten Schieferplatten und Objekten mit zuweilen humorvollen oder ironischen Schilderungen, ebenso Rahmenkästen mit ausgefallenen Fundstücken und kalligraphisch bemalter Verglasung sowie Landschaften von kleinen Sehnsuchtsorten im Miniaturformat bis hin zu monumentalen Veduten. In späteren Jahren entstanden neben skurrilen Tierdarstellungen mit Seitenhieben auf Chimären und Evolution zahlreiche ironische Heiligendarstellungen im Stil eines spanisch-südamerikanischen Kolonialkatholizismus, später zunehmend zeitkritische Darstellungen zu Islamismus, Korruption und Krieg. Humorvoll wird in seinen Werken der übergroße Respekt vor Tradition und alter Lehre gebrochen und eigenes kritisches Denken in Bildern eingefordert. Gegenwart im klassischen Gewand.

Annette Lagler über Roland Mertens

Seine Werke spiegeln drastisch gesellschaftspolitische Missstände: das nicht entschuldbare Schweigen der katholischen Kirche angesichts unfassbarer Unmenschlichkeit in den eigenen Reihen, die Verblendung islamistischen Fanatismus, die als Krieg getarnte Abschlachtung wehrloser Kinder im Ukrainekrieg. Mit seiner Kunst prangert Roland Mertens schonungslos die Verursacher sinnloser Brutalität an und gibt auch den unterdrückten, schambesetzten Opfern eine Stimme.

Als Mosaik, Schaukasten, Installation, Performance oder Malerei im altmeisterlichen Stil – Roland Mertens fasst die Schrecken der Zeit mit unvergleichlicher Virtuosität und Perfektion. Sie verleihen dem Weltgeschehen, der Kurzlebigkeit digitalisierter Nachrichten zum Trotz, eine überraschend nachdenklich stimmende Universalität.

© ULi Muntenbeck